Disclaimer: In diesem Artikel geht es nicht um das klassische Portfoliomanagement, wie es durch die Boston Consulting Group mit der Boston Consulting Group Matrix oder ANSOFF-Matrix einst entwickelt wurde. Wenn Sie zu dem Thema mehr erfahren wollen, können wir unseren Artikel zur klassischen Portfolioanalyse empfehlen.
Was ist ein Geschäftsmodell-Portfolio?
Ein Geschäftsmodell-Portfolio (BMP) ist eine Sammlung von Modellen, die die verschiedenen Möglichkeiten darstellen, wie Sie mit Ihrem Unternehmen Geld verdienen können. Es ist wie ein Werkzeugkasten für Ihr Geschäft. Sie können es nutzen, um neue Ideen zu finden, bestehende zu verfeinern und Wege zu finden, Ihr Geschäft profitabler zu machen.
Im klassischen betriebswirtschaftlichen Verständnis der meisten Unternehmen geht es darum bestehende Geschäftsmodelle auszuschöpfen und Profit zu erwirtschaften. Irgendwann kommt unweigerlich der Zeitpunkt, wo nicht nur Produkte und Dienstleistungen leicht verändert bzw. angepasst werden müssen, sondern auch komplette neue Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle entwickelt werden müssen, um noch das Bestehen und das Wachstum eines Unternehmens zu sichern.
Das Geschäftsmodell-Portfoliomanagement stellt dabei eine strukturierte Herangehensweise dar, die von Alexander Osterwalder* durchdacht und die ersten Ansätze dazu in seinem Buch „The Invinceble Company*“ veröffentlicht wurden.
Warum ist es so wichtig ein Geschäftsmodell-Portfolio zu haben?
Wir leben in einem Zeitalter der schnellen Innovation. Von der Art und Weise, wie wir kommunizieren bis hin zur Art und Weise, wie wir Geschäfte machen – alles scheint sich in einem schwindelerregenden Tempo zu verändern. Es fällt vielen bereits jetzt schwer, da mitzuhalten.
Wenn Sie wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen Sie ständig innovativ sein und neue Ideen nicht nur denken, sondern am Markt erproben.
Aber woher wissen Sie, wann Sie innovativ sein müssen?
Woher wissen Sie, wann Sie Risiken eingehen sollten?
Und woher wissen Sie, wann Sie aufhören sollten zu innovieren, weil z.B. die Kosten zu stark ansteigen?
An genau dieser Stelle kommt ein Geschäftsmodell-Portfolio ins Spiel.
Die vier Hauptfunktionen eines Geschäftsmodell-Portfolios
Grundlegend werden durch den Einsatz eines Geschäftsmodell-Portfolios die Basis für die folgenden vier Entscheidungsfelder aufbereitet, indem bereits etablierte und neue Geschäftsmodelle eingetragen, bewertet und gemanagt werden können.
Lenken
Mithilfe des Portfolios können Sie die Anstrengungen und den Ressourceneinsatz innerhalb Ihres Unternehmens steuern sowie festlegen, welche Projekte, welche Innovationen und einzelne Verbesserungen wichtig sind und worauf Sie und ihr Team sich konzentrieren müssen.
Diversifizieren
Gezielt mehrere Projekte im Portfolio ansiedeln, um die knappen Ressourcen gezielt zu diversifizieren und um später je nach Erfolg der einzelnen Projekte diese weiter fokussieren zu können.
Messen
Strukturiert die einzelnen Innovationen und die Risiken sowie Fortschritte zu erfassen und greifbar zu visualisieren, um datengetriebene Entscheidungen zu treffen sowie die betriebswirtschaftliche Bewertung des eigenen Zukunftsportfolios zu ermöglichen.
Verwenden
Um auf externe Änderungen im Markt reagieren zu können und mit bereits erprobten Geschäftsmodellen den Markt anzugehen sowie einzelne Geschäftsbereiche auszubauen, zu verkaufen oder auch zu reduzieren.
Der Nutzen eines Geschäftsmodellportfolios als Lerninstrument
Ein Geschäftsmodell-Portfolio kann aus vielen Gründen ein effektives Lernmittel sein. Zunächst einmal ermöglicht es Ihnen, Ihr Unternehmen und Ihre Zukunftsaussichten auf eine andere und neue Art und Weise zu betrachten.
So können Sie z.B. damit beginnen, die verschiedenen Geschäftsmodelloptionen zu identifizieren, die Ihnen und Ihrer Branche bisher zur Verfügung stehen.
Dann können Sie sich ansehen, wie andere Geschäftsmodelle aus anderen Branchen in Ihrer speziellen Situation funktionieren würden.
Sobald Sie die verschiedenen Geschäftsmodelle identifiziert haben, können Sie untersuchen und testen, welche davon profitabel für Sie funktionieren können und in Ihrer Situation am effektivsten sind.
Die oberste Zielstellung ist bei der Entwicklung eines Geschäftsmodell-Portfolios neue Wachstumsmotoren zu entwickeln, mit denen idealerweise durch die Verknüpfung von Blue Ocean Strategie und Lean Startup Ansatz ein neuer Wachstumsmotor für das bestehende Unternehmen gefunden wird und skalierbare Geschäftsmodelle den Fortbestand des Unternehmens sichern.
Struktur eines Geschäftsmodell-Portfolios
In einem ausgeglichenen und äußerst erfolgreichen Unternehmen laufen immer gleichzeitig mehrere Prozesse ab, um zum einen ihren Ertrag aktuell durch Produktion und Vertrieb zu erwirtschaften und andererseits neue Produkte und Dienstleistungen im Rahmen von Forschung und Entwicklung zu ergründen. Meist beschränkt sich dies aktuell in Deutschland aber eher nur auf die Produkt- und Dienstleistungsebene.
Auf der Geschäftsmodellebene gibt es genau die gleichen zwei Ausprägungen, um zum einen aktuell Geld zu verdienen (Ausschöpfung) und der Erkundung neuer Einnahmemöglichkeiten für die Zukunft (Auslotung).
Ein Geschäftsmodell-Portfolio ist dabei eine Sammlung von vielen verschiedenen Geschäftsmodellen, die in die zwei Phasen Auslotung und Ausschöpfung eingeteilt und den entsprechenden Risiken gegenübergestellt werden.
Hinweis: Wie Sie effizientes Risikomanagement für Geschäftsmodelle aufbauen, erfahren Sie im Detail in unserem Leitfaden.
Für den Portfolio-Bereich der Auslotung, wo noch viele Komponenten der Geschäftsmodelle unklar sind, spricht man in der Regel von Innovationsrisiken, die mit verschiedenen Tests solange abnehmen bis der Übertrag in die Realwirtschaft zum gezielten Ausschöpfen des Geschäftsmodells vollzogen wurde. Sobald ein Geschäft am Markt etabliert ist, sieht dieses sich dauerhaft anderen Risiken ausgesetzt, sodass Geschäftsmodelle mit der Zeit erst sehr gute Einnahmen generieren, die dann irgendwann abnehmen und dem weiteren Wachstum entgegenstehen. Diese Risiken, die mit der Zeit bis zum totalen Ausfall des Businesses führen können, werden auch als Untergangs- und Beeinträchtigungsrisiken bezeichnet.
Diese werden in der Portfolio-Map mit den erwarteten und aktuell realen Erträgen in einem Grafen aufgetragen, um die aktuellen Geschäftsmodelle, egal ob in der Ideenphase oder der wirtschaftlichen Anwendung, einzutragen, um diese bewerten zu können.
Da wir uns hauptsächlich mit der Entwicklung und Bewertung neuer Geschäftsmodelle auseinandersetzen, konzentrieren wir uns in den weiteren Ausführungen auf den Bereich der Auslotung von Geschäftsmodellen.
Die vier Felder Matrix für Geschäftsmodelle zum Ausloten
Ähnlich der Bosten Consulting Group Matrix (BCG-Matirx) mit dem Poor Dogs Feld, dem Cash Cows Feld , dem Question Marks Feld und Stars Feld können auch die Geschäftsmodelle eingeteilt werden.
Indem die Korrelation zwischen den zu erwartenden Erträgen und dem Innovationsrisiko gegenübergestellt werden, ergeben sich für die Geschäftsmodelle vier Ausprägungen. Das Innovationsrisko ist dabei an die vorhandenen Beweise für das Zutreffen der entsprechenden Geschäftsmodell-Hypothesen geknüpft.
Nische
Die Nische zeichnet sich durch ein geringes finanzielles Potenzial in Kombination mit fehlenden bis schwachen Beweisen für deren Erfolg aus.
Sichere Bank
Die sichere Bank beschreibt dabei Geschäftsmodelle mit geringem finanziellen Potenzial in Kombination mit bereits vorhandenen guten Beweisen und geringem Innovationsrisiko.
Vielversprechendes Konzept
Ein vielversprechendes Konzept sind Geschäftsmodelle mit hohen finanziellen erhofften Rückflüssen, aber auch noch geringer Beweislast für die Umsetzbarkeit und Marktakzeptanz des Modells.
Aufgehender Stern
Aufgehende Sterne sind der „Heilige Gral“ unter den Geschäftsmodellen, da sie sich durch bereits sehr gute Nachweise, die über den reinen Proof of Concept hinausgehen, in Kombination mit sehr hohem Ertragspotenzial auszeichnen.
Nach der Einteilung in die entsprechenden Bereiche können Sie ihre Geschäftsmodelle analysieren und die Entscheidungen treffen, welche Sie mit entsprechenden Ressourcen ausstatten und im größeren Stil in die Realwirtschaft übertragen wollen.
Anleitung zur Durchführung einer Geschäftsmodell-Portfolioanalyse
Der erste Schritt besteht darin, das Geschäftsmodell-Portfolio überhaupt erst zu bestimmen und die relevanten Geschäftsmodelle zu identifizieren. Als nächstes sollten Sie die Bewertungsgrundlagen und Metriken entwickeln, nach denen Sie ihre Geschäftsmodell-Ideen später bewerten.
Für die Bewertung Ihrer Geschäftsmodelle ist es meist sinnvoll Ihre Geschäftsmodelle in die drei Teilbereiche Erwünschtheit, Machbarkeit und Rentabilität zu zerlegen und die Risikobewertung für die Analyse des Innovationsrisikos in diesen drei Dimensionen zu definieren.
Ergänzend kann auch die Anpassbarkeit des Geschäftsmodells ein sinnvoller Faktor für die Portfolioanalyse sein, um im Fall von negativen Ereignissen einen Pivot durchführen zu können. Somit sind bei hoher Anpassbarkeit getätigte Investitionen in der Erprobung und das Testing nicht direkt „verloren“ und gelerntes Feedback kann für die Weiterentwicklung direkt verwendet werden.
Hinweis: Mit unserem Notion.so-Template für die Portfolioanalyse können Sie ihre Geschäftsmodelle eintragen und strukturiert bewerten, inklusive Ihrer Lernergebnisse beim Testing bis hin zur Überführung in die Realwirtschaft, um den Ertrag abzuschöpfen.
Wie Sie ein effektives Geschäftsmodell-Portfoliomanagement in Ihrem Unternehmen etablieren?
1. Um mit dem Portfoliomanagement speziell für Ihr Unternehmen zu starten, sollten Sie sich zuerst die folgenden Fragen stellen.
Welche Geschäftsmodelle werden in Ihrem Unternehmen aktuell bereits umgesetzt?
Welche Geschäftsmodelle befinden sich noch in der Entwicklung und Vorbereitung?
Welche Geschäftsmodelle sollten aus dem Portfolio ausgeschlossen werden? Und Warum?!
Welche Geschäftsmodelle nutzt die direkte Konkurrenz in der Branche, um am Markt zu bestehen?
Welche Geschäftsmodelle kommen in angrenzenden Branchen aktuell auf?
Wohin soll sich das eigene Portfolio entwickeln?
2. Als nächster Schritt folgt die Entwicklung eigener Geschäftsmodelle und Ideen idealerweise in Form von Workshops. Hierfür können Sie Methoden aus dem Lean Startup, Design Thinking oder auch der Blue Ocean Strategie verwenden, um sowohl neue Blickwinkel als auch Anregungen für neue Geschäftsmodelle zu bekommen.
Tipp: Arbeiten Sie hier entweder mit einer Kombination aus Business Model Canvas und Value Proposition Canvas oder dem Lean Canvas als Geschäftsmodell-Framework.
3. Tragen Sie diese in die Portfolio-Map ein, indem Sie die Risiken und Ertragspotenziale folgendermaßen ermitteln:
eine Umfeldanalyse durchführen
eine Markt- inklusive Marktwachstumsanalyse durchführen
eine Risikobewertung mit SWOT-Analyse durchführen
4. Anschließend sollten Sie die Budgets bestimmen, die Ihnen zur Verfügung stehen, um die verschiedenen Modelle anzutesten.
5. Bewertung der Modelle nach Finanzierungsaufwand und Reduktion je nach verfügbaren Budget.
6. Entwicklung von Erprobungen und Testing-Szenarien für das Risikomanagement der einzelnen Geschäftsmodelle je nach Positionierung in der Portfolio-Map mit den folgenden potentiellen Stadien:
Entdeckung: Erste gesammelte Beweise für Erwünschtheit und Rentabilität, die auf Interesse bei der Zielgruppe schließen lassen
Validierung: Erste Nachweise für die Rentabilität durch z.B. Absichtserklärungen und Testverkäufe sowie Definition der Kostenstruktur und Darstellung der Machbarkeit durch erste Prototypen
Beschleunigung: In diesem Stadium kann mit dem ersten MVP der Marktzugang getestet werden und die Wertschöpfungskette erprobt werden
Richtungsänderung (Pivot): Dieser Zustand tritt ein, wenn sich das Geschäftsmodell aufgrund der Ergebnisse von Tests ändern muss, um noch erfolgreich umgesetzt zu werden
Realitätsprüfung: durch die Realitätsprüfung wird das gesamte Geschäftsmodell reflektiert, um eine Neubewertung durchzuführen oder auch das Projekt zu beenden, weil die Erträge nicht mehr im richtigen Verhältnis zu den Risiken stehen
7. Dauerhafte Neubewertung der Geschäftsmodelle und Neueinordnung in der Portfolio-Map, um eine validierte Entscheidung für das Portfoliomanagement mit diesen Handlungsoptionen zu treffen:
Neue Ideen sammeln
Weiterverfolgen
Transfer
Richtungsänderung
Investieren
Rückzug
Spinout
Tipps für den Aufbau Ihres eigenen Geschäftsmodell-Portfolios
Sicherlich ist der Aufbau eines Geschäftsmodell-Portfolios keine einmalige Entscheidung und erfordert einen kontinuierlichen und effektiven Prozess vom Ideation über die Portfolioanalyse und dem Testen einzelner Annahmen bis hin zur Etablierung im allgemeinen Geschäftsprozess.
Wenn Ihr Unternehmen bereit ist zu investieren, dann ist der Prozess der Auswahl der vielversprechendsten Geschäftsmodelle und deren Portfoliomanagement ein kontinuierlicher Prozess, der fortgesetzt werden muss und auch einen Verantwortlichen oder gar eine eigene Abteilung benötigt, äquivalent zur Suche externer Investitionsoptionen in einer Corporate Venture Gesellschaft.
Ein effektives Geschäftsmodell-Portfoliomanagement ist kein schwieriger Prozess. Es ist sogar einfacher, als Sie vielleicht denken. Die größte Herausforderung besteht darin, dass die Komplexität der Geschäftswelt zunimmt. Auf dem Markt werden heute viele verschiedene Geschäftsmodelle und -formen verwendet. Und diese Modelle sind nicht statisch.
Als erstes sollten Sie also eine effektive Portfolioanalyse Ihrer Konkurrenz durchführen und so kosteneffizient lernen, welche Geschäftsmodelle wie funktionieren und wo jeweils die Voraussetzungen für deren Funktionieren liegen.
Regelmäßige Analysen anderer Branchen sorgen für frischen Wind und neue Ideen. Versuchen Sie die funktionierenden Geschäftsmodelle auf Ihre Branche zu übertragen und deren Potentiale mit deren Risiken, Kostenstruktur und den Bedürfnissen der Zielgruppe inklusive des erreichbaren Marktanteils zu bewerten.