Definition von Skalierbarkeit
Die Skalierbarkeit ist prinzipiell die Fähigkeit eines Systems sich in der Größe an die externen Gegebenheiten schnell ohne großen Ressourcenaufwand anpassen zu können.
Speziell für Geschäftsmodelle bedeutet dies die Fähigkeit den Umsatz zu steigern, ohne größeren Investitionsaufwand und Kostensteigerung.
Da Geschäftsmodelle mit guter Skalierbarkeit innerhalb kürzester Zeit (3-5 Jahren), bei entsprechendem Marktbedarf, sehr schnell wachsen können und damit den Unternehmenswert erheblich steigern können, sind Sie sehr beliebt bei Investoren (Business Angels und Venture Capital Gesellschaften).
Skalierbarkeit bedeutet allerdings nicht, dass ein Geschäftsmodell auch gleichzeitig rentabel sein muss. Sollten Sie allerdings beide Fähigkeiten in Ihrem Geschäftsmodell vereinen können, ist dies die optimale Basis für eine sehr gute Geschäftsentwicklung.
Was ist der Unterschied zwischen dem Begriff Skalierbarkeit und Wachstum?
Während Skalierbarkeit in der Wirtschaft das schnellere Anwachsen von Umsatz im Verhältnis zum Anstieg in den Kosten meint, bedeutet Wachstum die Expansion des gesamten Systems. So kann ein Unternehmen auch wachsen und seinen Umsatz steigern, allerdings steigen die Kosten unverhältnismäßig dazu an und dieses Unternehmen läuft Gefahr einer Insolvenz.
Der Begriff der Skalierung wird häufiger umgangssprachlich als Synonym für Wachstum verwendet und umgekehrt, was hin und wieder die Kommunikation von Geschäftsideen erheblich erschwert.
Die Fähigkeit zum Wachstum eines Systems ist die Grundlage für eine Skalierbarkeit. Zur Skalierbarkeit gehören aber auch die Verhältnisse zwischen dem Anstieg bei Umsatz und Kosten dazu.
Grundlegende Wachstumsmechanismen der meisten Geschäftsmodelle
Bevor wir uns also der Skalierbarkeit eines Geschäftsmodells im Detail widmen, sollten wir uns die häufigsten Wachstumsmechanismen von skalierbaren Geschäftsmodellen ansehen, da diese in der Regel als Muster bereits in der Entwicklung der Geschäftsideen erkennbar sind. Die hier vorgestellten 3 Muster stammen aus den Ideen von Ash Maurya* und seinem Buch „Scaling Lean*.
Bezahltes Wachstum
Beim bezahlten Wachstum zählen alle direkten oder indirekten Schlüsselaktivitäten des Unternehmens dazu, die Neukunden akquirieren. Dabei ist egal ob es sich um bezahlte Vertriebler handelt, die zu den Kunden hinfahren und Verkaufsgespräche führen oder Verkaufspersonal in einem Laden sowie auch die Schaltung von Werbung, um auf das Unternehmen aufmerksam zu machen.
Gerade bei digitalen Geschäftsmodellen wird oft der Einfluss dieses Faktors unterschätzt. Während bezahlte Ads über Facebook, Instagram, Linkedin oder auch der Google Suche direkte Kosten verursachen, um potenzielle Kunden auf die Website zu bringen, werden die Kosten von Blogartikeln, Videos oder Social Media Beiträgen oft falsch ermittelt. Aber dies ist für die Skalierbarkeit unerlässlich.
Zum Verständnis sind z.B. SEO-Projekte zur Traffic Generierung über Blogartikel meist mit erhöhten Initialkosten zum Schreiben des Artikels, Lektorieren und für die Grafikerstellung verbunden. Sobald ein Artikel allerdings einmal auf der ersten Seite für einen Suchbegriff rankt, bringt er regelmäßig Traffic auf die Seite, mit dem dann Geschäft gemacht werden kann und nur noch hin und wieder geringe Personalkosten zur Content-Pflege anfallen. So sinken mit der Zeit die Kosten im Vergleich zu den erzeugten Umsätzen in diesem Fall der Traffic-Generierung, sodass eine Skalierung gegeben ist.
Erhöhung in der Kundenbindung
Eine weitere Möglichkeit ein Unternehmen wachsen zu lassen, ist die Loyalität Ihrer Kunden zu erhöhen, sodass Sie entweder länger in einem Abonnement oder Servicevertrag verbleiben oder weitere ergänzende Produkte kaufen sowie auch wiederholt Verbrauchsgüter oder Dienstleistungen von Ihnen nutzen. Somit kann die Customer Lifetime Value, also der Wert eines einzelnen Kunden, für Ihr Geschäftsmodell gesteigert werden.
So sollten Sie für beide Wachstumsmechanismen anstreben, dass zum einen die Lifetime Value mindestens 3 mal größer ist als Ihre Akquise Kosten. Dies gelingt durch Erhöhung der Bindung, neue Produkte anbieten oder indem die Akquisekosten gesenkt werden.
Für jedes wachsende Geschäftsmodell sollte weiterhin gelten, dass Ihre Wachstumsraten größer sind als die Abwanderung Ihrer Kunden. Nur falls dies gegeben ist, haben Sie eine stabile Basis für eine Skalierung ermöglicht.
Hinweis: Damit Sie diese Punkte immer im Überblick behalten, sollten Sie ein Dashboard nutzen, um die beiden Regeln ständig nachzuprüfen.
Weiterer Wachstumsboost durch Weiterempfehlungen und Viralität
Der letzte Wachstumsmechanismus ist der Zugewinn an Neugeschäft durch Weiterempfehlungen und Viralität. Auch wenn die Viralität das Wunsch-Szenario vieler Jungunternehmer ist, sollten Sie unbedingt vorher die eben beschriebenen Regeln vorher einhalten, da sonst das virale Wachstum schnell zu einem Kostentreiber werden kann.
Darüber hinaus sind erfahrungsgemäß die Trigger für Weiterempfehlungen oft sehr schwer als Mechanismus zu realisieren. Viralität bedeutet dabei, dass jeder neue Kunde mindestens 1 weiteren mit sich bringt und damit ein exponentielles Wachstum ermöglicht.
Für die meisten Geschäftsmodelle sind aber jegliche Empfehlungsraten über 0 schon sehr gute Treiber, da so vor allem die Akquisekosten pro Neukunden gesenkt werden können.
Alle 3 Wachstumsmechanismen können für die Skalierung gezielt genutzt werden. Dabei ist es unerlässlich die Kostenstrukturen im Auge zu behalten und bereits vorher einige Skalierungsfaktoren im Geschäftsmodell etabliert zu haben.
Woher wissen Sie, ob Sie ihr Geschäftsmodell skalieren können?
In der Theorie ist die Skalierbarkeit einfach und unkompliziert. Als Unternehmer suchen Sie nach einem Modell, das mit dem Wachstum Ihres Unternehmens mitwachsen kann. Aber wenn Sie erst einmal gewachsen sind, ist es wichtig, dass Sie die von Ihnen angebotenen Dienstleistungen und Produkte weiter ausbauen können, ohne ständig mehr Geld bereitstellen zu müssen.
In der Realität ist das nicht immer so einfach. Insbesondere bei der Gründung „normaler“ Unternehmen ist es oft nicht möglich. So ist die Expansion oft kaum machbar da Sie an einen Standort gebunden zu sind – zum Beispiel, wenn Sie sich mit einem Restaurant oder einem Friseursalon an einem festen Standort niedergelassen haben (durch die Einrichtung und das Personal) oder auch wenn Sie sich ein eigenes Unternehmensgebäude mit einem Parkplatz errichtet haben. Das Gebäude lässt sich vielleicht oft noch erweitern aber auch der Parkplatz für Ihre neuen Mitarbeiter benötigt dann eine weitere Investition. Genauso verhält es sich auch bei Beratern, die jeweils nur eine bestimmte Zeit in der Woche arbeiten können und dann an ihre physischen Grenzen kommen.
Ganz anders kann dies aussehen, wenn Sie auf folgende Punkte in der Entwicklung Ihres Geschäftsmodells achten.
Asset Light
Hohe Anfangsinvestitionen in Produktionseinheiten bedeuten, dass der Umsatz nur solange gesteigert werden kann, bis die Kapazitätsgrenze der jeweiligen Produktionseinheit erreicht ist und neue große Investitionen erforderlich sind. Geschäftsmodelle, die ein relativ geringes Anlagevermögen haben und eher vermögensneutral sind, sind oft in der Lage, den Umsatz stärker zu steigern als die Kosten. Solche „Asset Light“ Geschäftsmodelle sind tendenziell skalierbarer.
Hohe Automatisierung
Geschäftsmodelle mit einem hohen Automatisierungsgrad sind meist auch sehr skalierbar. Durch die Gewährleistung von einer effizienten und schnellen Auftragsabwicklung durch Standardisierung und Automatisierung einzelner (Teil-)Prozesse sind Sie anderen Unternehmen in den einzelnen Branchen meist überlegen und können schnell neue Kunden gewinnen.
Geringer Fixkostenanteil
Jedes Unternehmen hat bestimmte Fixkosten in seinem Geschäftsmodell. Dazu zählen z.B. Miete für das Büro und Löhne für das Personal. Wie hoch die Fixkosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten sind, ist für die Skalierbarkeit allerdings von hoher Bedeutung.
Im Normalfall haben skalierbare Geschäftsmodelle eine niedrige Fixkostenbasis, die beim Wachstum des Umsatzes meist nur gering ansteigen.
Variable Kosten sind dominant
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass skalierbare Geschäftsmodelle höhere variable Kosten aufweisen und diese erst auftreten, sobald neue Verträge mit Kunden abgeschlossen wurden.
Fokus auf Vertrieb und Marketing
Um die Skalierbarkeit zu maximieren, konzentrieren Sie sich darauf, den Prozess der Akquisition und des Marketings zu optimieren, um Ihren Bestand ohne Kapazitätsgrenzen zu maximieren.
Expansion in andere Märkte
Expansion ist einer der wichtigsten Faktoren für Unternehmen mit hoher Skalierung. Es ist möglich, dass ein Geschäftsmodell so erfolgreich ist, dass es ganz einfach auf neue Märkte ausgedehnt werden kann. Sie können Ihren Marktanteil schnell ausbauen und so zu einem wichtigen Player in Ihrer Branche werden.
Geschäftsmodellmuster mit hoher Skalierbarkeit
Es gibt eine große Anzahl verschiedener Geschäftsmodellmuster und einige davon können besser skalieren als andere. Die hier vorgestellten Muster sind nicht per se in jedem Kontext skalierbar sondern weisen einige Merkmale auf, durch die sie eher zur Skalierbarkeit neigen.
Hinweis: Wenn Sie mehr über verschiedene Geschäftsmodelle und deren Muster erfahren wollen, können Sie zum einen unseren Artikel: „Geschäftsmodelle: Der Schlüssel zum Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens“ oder in dem Buch „Geschäftsmodelle entwickeln*„, 55 grundlegende Muster kennenlernen, da wir hier nur auf die Merkmale eingehen, die Skalierbarkeit unterstützen. Ergänzend empfehlen wir auch: „The Invincible Company: So schaffen Sie eine Kultur der Innovation und Transformation, die Ihr Unternehmen unbesiegbar macht*“ von Alexander Osterwalder*.
Addon
Beim Addon-Muster wird meist ein Grundpaket geschnürt, welches für die Kunden einen Grenznutzen mit Kernfunktionen schafft, die vergleichsweise günstig angeboten werden. An diesem Grundpaket sind viele Prozesse meist stark automatisiert oder standardisiert. Durch den Zukauf von weiteren Optionen kann der Kunde sein Kernpaket erweitern, wodurch meist der eigentliche Cashflow für den Betreiber dieses Modells generiert wird.
Affiliate
Beim Affiliate gibt es zwei Seiten, wo beide voneinander profitieren. Einmal die des Herstellers des Produkts oder dem Anbieter der Dienstleistung. Sie profitiert davon, externe Verkaufskanäle nutzen zu können und erst zu bezahlen, wenn ein wirklicher Verkauf stattgefunden hat und Einnahmen generiert wurden. Für die Seite der externen Vermittler fallen keine Entwicklungskosten an, sodass damit die Liquidität geschont wird und die Kosten damit verhältnismäßig gering ausfallen.
Cross Selling
Auch beim Cross Selling fallen Akquisekosten für Kunden an, allerdings können diese für weitere Produkte genutzt werden, um zum einen die Lifetime Value der Kunden zu erhöhen und zum anderen auch die Kundenbindung durch weitere Mehrwerte.
Digitalisierung
Bei der Digitalisierung von einzelnen Prozessen oder Produkten fallen meist weit weniger Kosten an als im Vergleich zu Hardware-Produkten, da z.B. bei der Erstellung nur einmal Kosten anfallen und dann mehrfach vertrieben werden können.
Flatrate & Subscription
Bei Flatratemodellen kommt es zu regelmäßigen und kalkulierbaren Einnahmen, die für die weitere Akquise von neuen Kunden genutzt werden können und so das selbe Asset auch mehrfach verwendet werden kann und die Kosten damit nicht mit der Anzahl der Flatratenutzer & Subscriptors gleichmäßig ansteigen. Flatrate bietet die Möglichkeit der Quersubvention der Nutzer untereinander.
Freemium
Freemium Modelle profitieren durch die geringen Hürden für das Teilen, da es ja umsonst ist und so die Viralität in diesem Muster meist ausgeprägter ist als in anderen Geschäftsmodellen.
Franchise
Mit Hilfe des Franchise Muster können selbst Geschäftsmodelle mit geringer Skalierbarkeit skaliert werden. Indem ein funktionierendes Business an andere auslizensiert wird und so für den Betreiber kaum neue Kosten entstehen und der Franchisenehmer auf vergünstigte Kosten bei der Beschaffung durch Skaleneffekte zurückgreifen kann.
Mass Customisation
Beim Mass Customisation können Kosten durch hohe Standardisierung reduziert und durch hohe Möglichkeiten der Individualisierung höhere Umsätze ermöglicht werden.
Open Source
Bei Open Source Modellen wird ein Großteil der Kosten für die Produktentwicklung auf eine Crowd aus Entwicklern ausgelagert, wodurch der Kostenzuwachs im Vergleich zum Umsatzwachstum meist gering ausfällt, was genau dem Regeln der Skalierbarkeit entspricht.
Razor & Blade
Im Sinne der Skalierbarkeit bietet das Razor & Blade Muster einige Vorteile, da z.B. neue Kunden durch Köderangebote gewonnen werden können aber der eigentliche Umsatz durch Verbrauchsmaterialien entsteht, die nach der Akquise geringe Kosten verursachen. Zum anderen kann die Kundenbindung oft relativ kostenarm durch weitere Funktionen gesteigert werden.
User Designed
Das Geschäftsmodell-Muster User Designed birgt auch wieder den Vorteil der Kosteneinsparung, indem der Design Prozess an den Kunden ausgelagert wird. In Kombination mit den Möglichkeiten individualisierter Produktion kann eine hohe Skalierbarkeit ermöglicht werden.
Was sind die häufigsten Fehler bei der Skalierung eines Unternehmens?
Nur weil ein Geschäftsmodell die Möglichkeit für gute Skalierbarkeit bietet, ist das Skalieren eines einzelnen Business oftmals doch schwieriger als es am Anfang erscheint. Für das Scheitern beim Skalieren können vielfältige Gründe verantwortlich sein. Weshalb wir uns hier nur auf einige wenige konzentrieren.
Die Skalierbarkeit eines Geschäftes hängt im Grunde an den vier Faktoren: Personal, Strategie, Umsetzung und Cashflow, falls im Markt ausreichend Bedarf vorhanden ist.
In diesem Sinne arbeiten die meisten Unternehmen auch daran, ihr Personal auf das Skalieren richtig einzustellen. Jeder muss zum Beispiel wissen, dass es das Ziel ist, den Umsatz zu steigern aber die Kosten nur geringfügig ansteigen zu lassen. Von der Produktion bis zum Vertrieb und dem Controlling muss jeder genau wissen, wie sich seine Tätigkeiten und der aktuelle Fokus auf die Skalierbarkeit auswirken. Ein gutes Mittel, um dies zu tun, sind Zielvereinbarungsmethoden wie Objective und Key Results (OKR).
Darüber hinaus müssen alle Stakeholder wie Investoren, Banken und auch Kooperationspartner über die Eigenschaft Ihres Unternehmens aufgeklärt werden. So dass jedem klar ist, dass meist am Anfang von Skalierbaren Unternehem höhere Investitionen notwendig werden – von der IT-Infrastruktur mit passender Software und Servern um die Möglichkeiten der Automation zu nutzen bis hin zu entsprechenden Entwicklungskosten. Viele Investoren aus dem Venture Capital Bereich suchen gezielt nach solchen Unternehmen, um mit Ihnen gemeinsam zu skalieren, weshalb hier in der Kommunikation oft keine Definition von Skalierbarkeit notwendig ist. Im Gegensatz zu anderen Kooperationspartnern oder Geldgebern, wie Banken, für Ihre Investitionen.
Oft mangelt es auch den Startups an einem System, dass ihnen bei der Größenveränderung hilft, ihre gesetzte Strategie auch in dieser Dimension noch durchführen zu können. Oft scheitern diese nicht an der Idee, sondern an dem Punkt der Logistik und den Anforderungen an der Veränderung ihrer Kapazitäten, wodurch bereits sehr früh Kapazitätsgrenzen überschritten werden. Hilfreich ist hier die Nutzung von Dashboards und regelmäßigen Reflektionen und Analysen.
Da der Weg zu mehr Umsatz durch Skalierung oft nicht geradlinig verläuft, empfiehlt es sich mit Hilfe des Lean Start up Ansatzes vorzugehen und die Strategien zur nächsten Größenveränderung mithilfe von kleinen Experimenten vor der nächsten Großinvestition zu überprüfen, um die Ressourcen zu schonen. Gerade an diesem Punkt sind frühzeitige Analysen der Risiken durch z.B. die Nutzung einer SWOT- Analyse, bei der Strategieentwicklung dringend notwendig, um ein professionelles Risikomangement Ihres Geschäftsmodells zu betreiben.