Was ist Brainwriting und worin liegt der Unterschied zum Brainstorming
Während bei den weithin bekannten Brainstorming Techniken, die Kreativität der ganzen Gruppe als kollektiv genutzt wird, setzen die meisten Brainwriting Verfahren darauf, die Einzelideen der Gruppenmitglieder zu sammeln und später erst zusammenzuführen. Dies geschieht meist dadurch, dass die Idee oder der Gedanke jeweils in Stille und jeder für sich auf einen Zettel, ein Postit oder eine Karteikarte geschrieben werden. Im Anschluss werden die Ergebnisse meist in einer Galerie präsentiert oder geclustert, wie z.B. bei der Erstellung eines Affinitätsdiagramms.
Vor- und Nachteile beim Brainwriting
Somit ist einer der größten Vorteile dieser Vorgehensweise, dass auch Teilnehmer, die sonst eher introvertiert und ruhig sind, an der Ideenentwicklung mitwirken können. Diese gehen meist in Brainstorming-Runden unter, da dort oft die Ideen der Lautesten zuerst gehört werden und introvertierte Menschen besonders feinfühlig darauf reagieren, wenn ein Kommentar fällt oder eine Miene verzogen wird. Auch wenn es für das Brainstorming und Brainwriting Regeln gibt, kommt es immer wieder vor, dass die inneren Kritiker Ideen zu früh beurteilen wollen. Dies liegt in der Natur der Menschen und ist damit auch gleich einer der Vorteile beim Brainwriting, da hier jeder zuerst kreativ denken kann und erst später die Idee reflektiert wird. Führt man die Einreichung der Ideen anonym durch, führt dies oft auch dazu, dass mit dem Brainwriting auch Ideen zu Tage kommen, welche kritisch sind oder Missstände offenbaren, an denen dringend gearbeitet werden sollte.
Nachteilig beim Brainwriting im Unterschied zur Anwendung des Brainstormings ist, dass Gedanken oft zu lange bedacht werden, wodurch eine Person häufiger an dieser hängen bleibt, statt weiter zu gehen.
Die Konzentration auf die Ideenfindung und Quantität aller Ideen führt ab und an dazu, dass gute Ideen nicht weitergedacht werden und die Qualität darunter leidet. Deshalb ist es oft hilfreich nach dem Brainwriting die besten Vorschläge zu sammeln und durch alternative Techniken weiterzudenken.
Regeln beim Brainwriting
Brainwriting genauso wie das Brainstorming lebt davon, dass Ideen nicht bewertet werden und alle noch so verrückten Ideen und Lösungen gedacht werden dürfen. Kritik gehört erst in die zweite Phase, bei der die besten Ideen für die Weiterverarbeitung ausgewählt werden, damit ausreichend Quantität an Ideen entsteht. Deshalb sollte der Moderator vor jeder Brainwriting-Session die folgenden Grundregeln erklären.
- Es ist keine Kritik erlaubt, egal in welcher Form!
- Ideen dürfen geklaut und weiterentwickelt werden (das ist sogar ein Muss)!
- Je verrückter die Idee desto besser ist sie für den Prozess!
Verschiedene Brainwriting Verfahren
Es gibt viele verschiedener Brainwriting Varianten zur Ideenfindung . Einige Varianten haben wir hier für Sie in Kurzform aufgelistet.
Klassisches Brainwriting
Beim klassischen Brainwriting wird gezielt auf Assoziationen abgezielt, indem Ideen auf ein Blatt Papier geschrieben werden und an den Sitznachbarn weitergegeben werden, welcher die Ideen weiterentwickelt.
6-3-5- Methode
Die 6-3-5 Methode ist wohl eine der bekanntesten Brainwriting Tools. Bei ihr werden selbst mit ungeübten Teilnehmern innerhalb kürzester Zeit 108 Ideen generiert. Ihren Namen verdankt diese Technik dem Umstand, dass idealerweise 6 Teilnehmer jeweils 3 Startideen aufschreiben und der Zettel anschließend 5 mal weitergeben wird, und dabei die Ideen des vorherigen Teilnehmers weitergedacht werden. In unseren Workshops verwenden wir meist entweder unser Notion.so-Template oder die Formatvorlage für schnellere Runden.
Knopf-Brainwriting
Die Button-Methode ist eine Variante des Brainwritings, bei der Verminderungen in der Aufmerksamkeit der Teilnehmer reduziert werden. Dies geschieht, indem ein Teilnehmer per Zufall gebeten wird seine Gedanken vorzustellen. Er erhält den „Redeknopf“ und im Anschluss an die Diskussionen zu seiner Idee und den Erweiterungen durch die anderen Teilnehmer der Gruppe gibt er den Knopf weiter an eine Person seiner Wahl, die noch nicht dran war. Damit wird reduziert, dass die Leute die neben dem aktuellen Redner sitzen sich in Gedanken auf ihre eigene kurze Präsentation vorbereiten, da niemand weiß, wer als nächstes dran ist. Anstelle des Knopfes kann natürlich auch jeder andere Gegenstand verwendet werden.
Kollektives Notizbuch (Collective Notebook)
Eine etwas besondere Art der Ideensammlung ist auch das kollektive Notizbuch, welches vor allem dann angewendet wird, wenn die Teilnehmenden nicht zur gleichen Zeit an einem Ort zusammen kommen können. Bei dieser Variante wird auf ein Notizheft an einem frei zugänglichen Ort gelegt und auf der ersten Seite die Problemstellung formuliert. Anschließend wird jeder Teilnehmer gebeten, täglich in dieses Buch zu schauen und die Ideen der anderen zu lesen sowie eigene Ideen niederzuschreiben. Nach einer vorher definierten Zeit (meist zwei bis vier Wochen) wird dann das Buch gemeinsam durchgesehen und die Ideen zusammengefasst, sowie eine Entscheidung getroffen wie es dann im Projekt weitergeht.
Der große Vorteil dieser Methode ist, dass auch spontane Eintragungen entstehen können, weil man nie weiß, wann jemand am Kreativsten ist. Durch den „Zwang“ sich täglich mindestens einmal damit zu beschäftigen, wird das Thema auch häufiger in das Unterbewusstsein geholt, um dort Ideen während des normalen Alltags zu entwickeln.
Tipp: Damit die Ideengenerierung auch in Zeiten des remoten Arbeitens funktioniert, haben wir ein Notion.so-Template entwickelt, mit dem Sie ihre Teams dazu bekommen, sich regelmäßig mit der Problemstellung auseinanderzusetzen. Alles was Sie dazu machen müssen, ist das Template runterzuladen, Ihre Problemstellung zu formulieren und dafür zu sorgen, dass jeder auf seinem individuellen Dashboard das kollektive Notizbuch verlinkt. Vorteil ist mit diesem Workaround, dasss jeder seine Gedanken entweder auf einem Zettel schreiben kann und den nur fotografieren muss oder auch schnell zwischendurch mal auf seinem Handy die nächste Idee festhalten kann, egal wo er gerade ist.
Brainwriting-Pool
Der Brainwriting-Pool gehört zu den Kreativitätstechniken für größere Teams, da hier die Teilnehmer in kleinere Gruppen mit 5-8 Leuten an jeweils einen Tisch gesetzt werden können und so auch mit sehr vielen Gruppen Ideen entwickelt werden können.
Zur Durchführung sollten auf jedem Tisch mehrere große Postits oder farbige Zettel (A5 oder A4) gelegt werden. Jeder Teilnehmer wird gebeten einen Zettel zu nehmen, darauf eine Idee zu schreiben und immer an den rechten oder linken Nachbarn weiterzugeben (wichtig dabei ist nur, dass eine einheitliche Richtung genutzt wird). Der Nachbar hat dann die Wahl, ob er sich mit der Idee des Nachbarn beschäftigen möchte oder diese weitergibt. Sobald die Idee wieder beim Ideengeber ankommt, kann dieser entscheiden, ob er schon ausreichend Ergänzungen oder weitere Ideen auf seinem Zettel hat oder ob dieser noch einmal in die Runde geschickt werden sollte. Nimmt er die Idee aus dem Umlauf, landen sie in der Mitte des Tisches im Ideen-Pool, woher diese Kreativitätstechnik auch ihren Namen hat.
Digital Brainstorming
Da bei der digitalen Umsetzung eines Brainstomings alle Ideen, z.B. auf einem digitalen Whiteboard (wie das von Mural) aufgeschrieben werden, zählt es klassischerweise mit zu den Brainwriting Instrumenten.
Karten Technik
Die Karten Technik ist eine weitere sehr schnell erlernbare Kreativitätstechnik, bei der zuerst gemeinsam eine Fragestellung erörtert wird und dann anschließend entweder an einer Wand oder Tafel mehrere Bereiche bzw. Teilaspekte festgelegt oder mehrere verschiedenfarbige Karteikarten verwendet werden, welche eine entsprechende Zuordnung zu den Teilaspekten bekommen. Wichtig dabei ist, dass vorher klar festgehalten wird, was wozu gehört. Anschließend sollen alle Teilnehmenden ihre Ideen zur Fragestellung aufschreiben. Vom Moderator werden diese dann eingesammelt und nacheinander an der Wand oder der Tafel bzw. Whiteboard vorgelesen und angebracht. Da während des Anbringens bereits die erste Struktur geschaffen werden kann, hilft diese Technick dabei, Probleme etwas strukturierter gleich für die Nachbearbeitung aufzubereiten.
Trigger Technik
Die Trigger Technik ist eine Mischung aus Brainstorming und Brainwriting bei der durch einen Moderator die Problemstellung vorgestellt wird. Jeder schreibt auf einen Zettel eine Idee oder ein Stichwort, die sogenannten Trigger-Wörter. Diese werden laut vorgelesen und an der Wand gut sichtbar angeordnet. Sobald bei einem Teammitglied ein passender Gedanke dazu entsteht, wird dieser notiert, wieder laut vorgelesen und mit an der Wand angeordnet. Dies läuft immer in einzelnen Phasen ab. Die eine Brainwriting Phase, bei der die Teilnehmer ihre Ideen niederschreiben und die nächste Phase des Brainstormings bei dem diese an der Wand angebracht werden. Diese Phasen wechseln sich immer wieder ab und die Phasenübergänge sind in dieser Variante meist die schwierigsten Punkte für den Moderator.
Stummes Schreibgespräch
Beim Stummen Schreibgespräch dürfen alle Vorschläge, Lösungen oder Ideen nur schriftlich festgehalten werden und niemand darf miteinander sprechen. Um diese doch sehr eigene und oft auch sehr spaßige Variante des Brainwritings zu nutzen, werden verschiedene Zettel mit jeweils einem Start-Satz oder Problem von dem Moderator im Raum verteilt. Jeder Teilnehmer soll in einer festgelegten Reihenfolge immer wieder die Stationen ablaufen und die vorherigen Äußerungen kommentieren. Dabei ist alles erlaubt – von Zustimmung, Ablehnung, Verbesserungsvorschlägen oder auch witzigen und ironischen Ergänzungen. Erst nachdem entweder die Zeit abgelaufen ist oder bei offenen Runden keiner mehr was ergänzendes zu den Zetteln dazu schreibt, darf wieder laut gesprochen werden. Im letzten Schritt werden gemeinsam die entstandenen Konversationen beurteilt und ausgewertet.
Brainwriting als Bestandteil vieler anderer Bereiche
Das Brainwriting kann überall da eingesetzt werden, wo Problemlösung gefragt ist, weshalb wir die verschiedenen Varianten in unserem Alltag oft nutzen. So können diese zum Beispiel nicht nur im Design Thinking für die Ideenfindung, sondern auch für das Finden und Sammeln von Schwachstellen im Risikomanagement genutzt werden. Da wir die Bewertung des Outputs immer erst auf später verschieben, können wir so mit den verschiedensten Teilnehmern auch Geschäftsmodell-Seminare durchführen, deren Ergebnisse noch komplett offen sind und auch regelmäßig die Teilnehmer überraschen.