Wardley Mapping - Wozu überhaupt?
Das Wardley Mapping ist ein simples aber höchst effizientes Tool um das eigene Unternehmen sowie die Konkurrenz in der eigenen Branche besser verstehen zu lernen. Es hilft durch seinen visuellen Aufbau dem Management schnell die eigenen Prozesse zu verstehen und bildet die Basis für tiefergreifende Analysen. Indem die aktuelle Value Chain in den technologischen Zusammenhang gebracht wird, ermöglicht sie die zukünftige Wertschöpfungsoptionen aufzudecken und kann so die Grundlage für strategische Entscheidungen ermöglichen. Allein dadurch sollte die Wardley Map zu einem Standardwerkzeug im CEO und Managementbereich gehören.
Dennoch kann der Prozess des Mappings noch weit mehr. Indem die einzelnen Komponenten (Components) in die Karte eingetragen werden, können beispielsweise noch die folgenden Punkte effektiv angegangen werden.
Verstehen, analysieren der aktuellen und zukünftigen Wertschöpfung
Kapital, Ressourcen & Informationsströme
Evolutionsschritte der Prozessschritte verstehen
Kostenfaktoren für einzelne Prozessschritte verstehen
Zukünftige Entwicklungen abschätzen
Entscheidungsgrundlage als Strategietool für den Ressourceneinsatz, speziell im teuren R&D-Bereich
Barrieren für aktuelle Entwicklungsschritte verstehen
Erkennen von Risiken und Gefahren, durch Entwicklungen innerhalb und außerhalb der Branche
Festlegung welches Methodensetting (Design Thinking, Agile, Lean Startup, Lean Manufacturing, Six Sigma bis hin zum Outsourcing …) wann am besten eingesetzt werden sollte
Handlungen und Entscheidungen der Konkurrenz verstehen
Herausarbeitung des eigenen USP gegenüber der Branche
Visualisierung als jahrtausendealtes Strategie-Tool
Das Mapping Verfahren ist gerade im militärischen Bereich eine absolute Grundlage für die strategische Entscheidungsfindung, weshalb sich Simon Wardley bei der Entwicklung seines Mappingverfahrens auf die Grundlagen der historischen Militärstrategen bezieht. Um die Wardley Map als solches zu verstehen und abschätzen zu können, welche Potentiale in ihr stecken, müssen wir an dieser Stelle einen kurzen Einblick in die Entwicklungsgeschichte dieses Tools machen, um danach den Aufbau mit all seinen Komponenten und einem Leitfaden zum Einsatz der Wardley Map in Ihrer Firma zu diskutieren.
Hinweis: Einen ausführlichen Einblick in die Gedankenwelt und die Entwicklungsgeschichte finden Sie im frei zugänglichen Buch von Simon Wardley: https://medium.com/wardleymaps
Strategy Cycle von Sun Tzu als Grundlage der Wardley Map
Während nahezu alle Business Modelle und modernen Ansichten über die Funktionsweise von Strategien vom Warum gleich zum Führungsstil übergehen, betrachtet das jahrtausendealte Buch von Sun Tzu fünf Schritte, die eine Strategie ausmachen.
Purpose - Warum
Der Purpose beschreibt das Warum (Why), also den Grund, weshalb Sie genau das tun, was Sie tun und wie weit Sie genau gehen werden. Es ist darüber hinaus auch die Grundlage dafür, warum andere Ihnen folgen oder bei fehlen auch nicht folgen werden.
Hinweis: Mehr zum Thema Purpose im Business und wie man daraus ein Unternehmensleitbild erstellen kann, finden Sie in unseren beiden Artikeln: Vision und Mission Statement und dem Golden Circle mit Why, How, What.
Landscape - Terrain
Die Landschaft (Landscape) oder auch das Terrain beschreiben die Umgebung bzw. das Umfeld, in der sich der eigentliche Kampf abspielt. Sie umfasst nach Sun Tzu die Truppen, die eigen geografische Landschaft und alle Hindernisse und Widerstände die ihren Weg blockieren können.
Hinweis: Auf die heutige Zeit übertragen, bedeutet dies nichts anderes als die Mitarbeiter, das Marktumfeld und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Einflüsse sowie einzelne Risiken, die ihre Skalierung verhindern können. Als Hilfestellung für die Analyse der Landschaft kann eine Umfeldanalyse z. B. nach dem PESTEL-Framework die notwendigen Erkenntnisse liefern.
Climate - Klima
Das Klima (Climate) beschreibt die einzelnen Kräfte, die auf ihre Umwelt einwirken. Im klassischen Sinne zählen dazu die Muster der einzelnen Jahreszeiten und die Spielregeln, an die sich alle halten. Diese Kräfte wirken dabei unerlässlich auf Ihre Landschaft ein und lassen sich durch Ihre einzelnen Handlungen nicht beeinflussen, wodurch sie erkannt und begriffen sowie so akzeptiert werden müssen, wie sie sind. Hierzu zählen z. B. auch die Handlungen der einzelnen Konkurrenten.
Hinweis: Um sich ein klares Bild von den Denkweisen und Handlungen der einzelnen Personen bzw. Konkurrenten in Ihrem Business zu machen, hilft oftmals nicht nur die Erstellung einer Wettbewerbsanalyse, sondern auch der strukturierte Prozess eines Stakeholdermanagements.
Doctrine - Doktrin
Die Doktrin (Doctrine) beschreibt nach „Die Kunst des Krieges*“ die Ausbildung der Streitkräfte und die Standardabläufe sowie die Techniken und Entscheidungen, die in der Regel fast immer getroffen bzw. angewendet werden. Sie umfasst außerdem die universellen Grundsätze, die unabhängig von dieser speziellen Situation funktionieren.
Hinweis: Im Business Kontext sind damit die Spezialisierungen und das Know-How der Mitarbeiter inklusive der notwendigen Weiterbildungen und die in Ihrem Unternehmen ablaufenden Standardprozesse gemeint.
Leadership - Führung
Die Führung (Leadership) beschreibt die Umsetzung der eigentlichen Strategie, die unter der Berücksichtigung der anderen vier Ebenen getroffen wurde. Der aktuelle Kampf, der zu diesem Zeitpunkt stattfindet, ist der Fokuspunkt für die Anwendung der entwickelten Strategie.
Hinweis: Für die täglichen Aufgaben und Zielsetzungen in Ihrem Business, um den richtigen Fokus zu setzen, kann das Objectives and Key Results Framework genutzt werden. Somit können Sie effektiv Ihre einzelnen Teams und Mitarbeiter koordinieren und den Fokus setzen, um Ihre Strategie auf mehreren Ebenen effektiv umzusetzen.
Der Einfluss von Schach auf die Wardley Map
Während das Warum im Purpose in nahezu allen Business Theorien „Die Begründung“ und damit die Rechtfertigung für alle Handlungen ist, ist die Zielsetzung beim Schachspielen klar: Die Partie gewinnen.
Damit verschiebt sich der Grund für die einzelnen Züge weg vom Warum für das Spiel hin zu der Bedeutung der einzelnen Züge. Diese Art des Denkens übertrug Simon Wardley auf seine Strategie Überlegungen und ergänzte das Warum des Purpose um das Warum der einzelnen Bewegungen.
Die Landschaft als Schachbrett
Jeder kennt aus Filmen Szenen bei der Militärexperten und Offiziere um eine Karte herum stehen und die möglichen Bewegungen von Armeen auf dem Schlachtfeld verschieben, um so ihre Strategien und möglichen Handlungen miteinander zu diskutieren.
So wären z. B. die Schlacht an den Thermopylen komplett anders verlaufen, hätte Leonidas nicht die Bewegungen der Perser unter Xerxes entsprechend eingeplant und sich strategisch geschickt mit seinem Heer positioniert.
Die Kenntnisse über die Bewegungen und die Gründe dafür sind also eine nicht zu vernachlässigende Grundlage für erfolgreiche Strategien.
Die OODA-Loop
Im Business sind nicht immer Randbedingungen bekannt und die Veränderung passieren teilweise sehr schnell, sodass oft Entscheidungen mit nicht optimaler Datenbasis getroffen werden müssen. Aus diesem Grund suchte Wardley nach einem ähnlichen Setting im Militär und wurde fündig im Bereich des Air-to-Air (Luftkampf) Bereiches. Dort hat John Boyd speziell für die schnell ablaufenden Kämpfe ein strukturiertes Vorgehen namens OODA-Loop entwickelt, bei der es um effektive Analyse, Entscheidung und Umsetzung unter Druck geht.
Observe – Umwelt wahrnehmen
In diesem Stadium ist es wichtig möglichst nüchtern und umfassend die aktuelle Situation und die Einflussfaktoren der Umwelt aufzunehmen.
Orient – Orientierung finden
Im Schritt der Orientierung geht es hauptsächlich darum, die passenden Systeme, Modelle, Frameworks, Heuristiken, gelernten Fähigkeiten und Erfahrungen auf deren Eignung zur Bewältigung der Situation zu überprüfen.
Decide – Entscheidung treffen
Im darauffolgenden Prozessschritt der Entscheidung geht es darum, eine einmalige Entscheidung zu treffen und damit das Setting für die darauffolgenden Handlungen zu definieren.
Act – handeln
Wie der Name schon sagt, geht es im Schritt der Handlung darum, die getroffene Entscheidung in die Realität zu übertragen und umzusetzen.
Somit entwickelte Simon Wardley die Grundpfeiler seiner strategischen Überlegungen als Kombination aus Sun Tzu’s Fünf Faktoren, Schach (Bedeutung der Bewegung) und John Boyd’s OODA Loop.
Aufbau von Wardley Maps
Die Wardley Map besteht aus der Darstellung einer Wertschöpfungskette (Value Chain) mit der Orientierung von oben nach unten, wobei der oberste Punkt die höchste Sichtbarkeit für den Kunden darstellt. Somit ist der Anker für diese Karte gesetzt, ähnlich einem Kompass auf einer Landkarte, mit dem die Orientierung nach Norden angegeben wird. Je weiter nach unten die Wertschöpfungskette läuft, desto weniger sieht der Kunde von diesem Prozessschritt. Somit sorgt die Y-Achse der Wardley Map für die Ausrichtung der Wertkette.
Hinweis: Die Kundenorientierung stellt, wie bei vielen anderen modernen Wirtschaftsmethodiken (wie Agile Prozesse wie z.B. Scrum) oder auch im Bereich der Design Thinking Methoden (wie Personas und Customer Journey Maps) die Basis der Betrachtungen, indem die Bedürfnisse der Kunden (Customer) als Ausgangspunkt für alle wirtschaftlichen Aktivitäten angesehen werden.
Durch den gesetzten Anker spielt die Positionierung der einzelnen Elemente eine entscheidende Rolle und kann den gesamten Kontext in der Betrachtung und Analyse verändern. Aus diesem Grund ist es wichtig allein schon bei der Erstellung der Value Chain in die Diskussion mit verschiedenen Managern und Führungskräften aus Ihrem Unternehmen die Positionierung zu hinterfragen und zu diskutieren. Hierfür reicht oft nicht nur ein einzelnes Meeting, um den Status Quo möglichst zutreffend zu beschreiben.
Die Warldey Map enthält darüber hinaus auch eine x-Achse, die die Evolution von Prozessen darstellt und die Bedeutung der Bewegung (Movement) ähnlich zu den Schachfiguren beschreibt. Diese Evolutionsstufen teilen die Wardley Karte in die folgenden vier Bereiche ein:
Genesis:
Genesis steht für einzigartig, sehr selten, ungewiss, ständig wechselnd und das neu Entdeckte. In diesem Bereich liegt der Fokus auf der Entdeckung und Erforschung von neuen Möglichkeiten.
Hinweis: In diesem Bereich greifen vor allem Methoden wie das Design Thinking, Blue Ocean Framework und Agile Methoden wie Scrum zur sukzessiven Entdeckung von Produkten und Funktionen, die die Kundenbedürfnisse auf neue Art zu erfüllen versuchen.
Customer Build (Sonderanfertigungen):
Customer Build beschreibt den Bereich, wo noch sehr viele Dinge unklar sind und stetiges Lernen notwendig ist. Die Kundenbedürfnisse werden noch individuell in Form von Sonderanfertigungen bedient bzw. angefertigt oder auf einzelne Anwendungsfelder händisch angepasst. In diesem Stadium der Evolution ändern sich viele Punkte sowohl in der Fertigung, in den Funktionen des Produktes bis hin zu den zu erfüllenden Ansprüchen der Kunden.
Hinweis: In diesem Stadium ist vor allem ein wissenschaftliches Vorgehen mitdem Aufstellen von Hypothesen und deren Beweislage bzw. Falsifizierung notwendig, weshalb hier meist auf die Lean Startup Methodiken zurückgegriffen wird.
Produkt (inklusive Vermietung):
In diesem Bereich finden sich Prozesse und Produkte, die immer häufiger verwendet werden und durch wiederholbare Schritte hergestellt werden. Diese sind bereits gut verstanden und besser definiert. Veränderungen werden immer schwerer und die Stabilität und Gleichförmigkeit nimmt zu. An dieser Stelle sind fast alle Produkte bereits identisch und der Fokus in dieser Phase liegt in der iterativen Weiterentwicklung und Verbesserung der Funktionen sowie Verfeinerung der einzelnen Teilprozesse:
Hinweis: An dieser Stelle findet der Übergang von Lean Startup Methoden mit ressourcenschonender Erkundung hin zum Lean Manufactoring, wo es um die Weiterentwicklung der Ressourcen-Herstellung geht. Hier kommen Tools wie Kanban zur Prozessoptimierung und Six Sigma immer mehr zum Tragen.
Commodity (inklusive Utility):
Bei Commodity liegt der Fokus hauptsächlich auf der Skalierung und Massenproduktion mit hochgradig standardisierten Produkten und Prozessen, die nur sehr schwer verändert werden können und explizit für ein reproduzierbares Kundenbedürfnis erstellt werden. Durch ständige Wiederholung und geringe Verbesserungen werden Abweichungen und Ausschuss immer mehr eliminiert und die Kostenoptimierung steht im Mittelpunkt jeglicher Betrachtungen.
Die Handhabung dieses Prozesses wird soweit optimiert und automatisiert, dass diese so für natürlich angenommen wird, dass er nicht mehr wahrgenommen wird.
Hinweis: Ab dieser Evolutionsstufe wird meist mit klassischen betriebswirtschaftlichen Methoden gearbeitet, um die letzten paar Prozent an Effizienz herauszuarbeiten und das Wachstum wird immer schwerer möglich.
Dieser Entwicklung von Genesis bis hin zur Commodity durchlaufen grundsätzlich alle Produkte und Prozesse in der Wirtschaft, sodass der Weg dahin als garantiert angesehen werden kann. Wichtig bei der Analyse der Value Chain nach Wardley ist, dass entsprechende Entwicklungssprünge Ziel der Weiterentwicklungen in der Branche sind und bestimmte technologische, soziale oder politische Barrieren existieren, deren Überwindung zu enormen Veränderungen führen können.
In dem die X-Achse geändert wird, können auch unterschiedliche Bereiche analysiert und die zusammenhänge begriffen werden. Nach Simon Wardley gibt es diese vier weiteren Bezugsmöglichkeiten des Wardley Mappings.
Durch farbliche Hervorhebungen in Kombination mit einer entsprechenden Legende, können auch Informationen über den Material-, Geld- und Informationsfluss integriert werden, um die Ressourcenflüsse zu analysieren.
Darüber hinaus kann als Symbolik für Trendentwicklungen, die gerade in Ihrer Branche stattfinden, eine gestrichelten Linie und entsprechenden Pfeilen genutzt werden um die Veränderungen darzustellen. Genauso können so auch die eigenen Aktivitäten im Vergleich zu den der Konkurrenz verdeutlicht werden.
Für einige Wertschöpfungsketten ist es unverzichtbar darzustellen welche eingetragenen Punkte Handlungen, Daten, Produktions- oder Verwaltungsschritte sind. Die kann z.B. geschehen indem ein Farbcode für diese einzelnen Punkte in der Legende hinterlegt wird.
Zusätzlich kann durch eine Symbolik der eingetragenen Punkte z.B: ein Dreieck für externe Partner und einem Kreis für interne Prozesse, die Zuordnung sichtbar gemacht und damit Risiken und spätere Chancen ggf. durch Outsourching Prozesse aufgedeckt werden.
Loslegen im eigenen Business
1. Schritt: Start mit den Bedürfnissen der Kunden
2. Schritt: Einzelneprozesse im Brainstorming sammeln und anordnen, und Verknüpfungen hinzufügen sodass eine Value Chain entsteht.
3. Schritt: Diskutieren Sie die Positionierung und stellen sich die folgenden Fragen:
Wie allgegenwärtig und gut definiert ist die Komponente?
Verwenden alle meine Wettbewerber eine solche Komponente?
Ist die Komponente als Produkt oder als Versorgungsdienstleistung verfügbar?
Ist sie etwas Neues?
Tipp: Nutzen Sie das Cheatsheet von Warldey um die Positionierung zu definieren.
4. Schritt: Ressourcenflüsse einzeichnen. Meist werden Kapitalströme zum verbinden der einzelnen Schritte verwendet.
5. Schritt: Entwicklungszenarien für die einzelnen Prozessschritte einzeichnen und Barrieren definieren um mögliche Bewegungen in der Karte bzw. der Branche zu projizieren.
6. Schritt: Strategien ableiten und Risikomanagement betreiben
7. Schritt: Maßnahmen und Tools zur Umsetzung der Verbesserungen auswählen
Markterweiterung
Je nach Position der einzelnen Punkte im Value Chain Mapping gibt einen Aufschluss darüber welche Methodiken wann wirklich gut geeignet sind um den nächsten Entwicklungsschritt anzugehen.
In der nachfolgenden Grafik sind verschiedene Frameworks von Agile, Design Thinking, Lean Startup, Lean Manufactoring bis hin zu Kaizen und Six Sigma eingetragen. Jedes dieser Modelle spielt, dabei eine besondere Rolle in der Entwicklung der Wertschöpfungskette in die Zukunft und entfaltet seine volle Wirkung nur unter bestimmten Umständen und Mindsets (Unternehmenskulturen).
Eine Antwort
Tolle Einleitung ins Thema, danke dafür!
Abrunden könntest du den Beitrag noch, durch praktische Beispiele, die es bestimmt auf Youtube oder so gibt?
So oder so, sehr hilfreich!
Gruß, Torsten